Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 | Chiharu Shiota – Wo sind wir jetzt? | KZ-Gedenkstollen Ebensee

Chiharu Shiota – Wo sind wir jetzt?
Ebensee, 26. April 2024
Größenwahn und Fehleinschätzung prägen oft die Geschichte Europas. Der Stollen in Ebensee erzählt von Menschenverachtung, Ausbeutung und Tötung unschuldiger Menschen, um neuartige Waffen zu entwickeln, erzählt von der grausamen Kollaboration von Wissenschaft und technischer Errungenschaft mit Vernichtungsstrategien und Kriegen. Erinnerung ist der einzige Weg, die den Menschen dazu befähigt, aus dieser Menschenverachtung, aus dieser fatalen Verknüpfung von Zerstörung und „Fortschritt” zu entkommen. Der Stollen in Ebensee und das daran anknüpfende ehemalige Konzentrationslager sind Orte des Gedenkens. Wie diesem Ort gerecht werden, wie mit Kunst ihm würdig begegnen?

Auf Einladung der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024 präsentiert die japanische Künstlerin Chiharu Shiota im Rahmen der Programmlinie „Macht und Tradition” im Stollen des ehemaligen Konzentrationslagers Ebensee die raumgreifende Installation „Wo sind wir jetzt?”. Die Installation aus roten Seilen und 25 überlebensgroßen Kleidern lässt die Anwesenheit der Opfer erspüren. Die Kleider sind zwischen roten Seilen gefangen, die wie ein Nebel die Figuren verschleiern. 
Mit „Wo sind wir jetzt?” schafft die in Berlin lebende und arbeitende Künstlerin ein weiteres Stück „Erinnerungskultur”. Sich erinnern heißt, Zukunft verantwortungsvoll gestalten. Das genaue Erkennen von Macht und Tradition, deren Wechselwirkungen und Beeinflussungen ist Voraussetzung, lokale und globale Identitäten in ihrem Wandel zu verstehen und zu respektieren.

Chiharu Shiota – Wo sind wir jetzt?
Eröffnung Freitag, 26/04/2024, 14 Uhr
Ort KZ-Gedenkstollen Ebensee, Finkerleitenstraße 40, 4802 Ebensee
Dauer der Ausstellung 27/04–30/09/2024
Öffnungszeiten 27/04–14/06 Sa–So 10:00–17:00 Uhr | 15/06–15/09 Di–So 10:00–17:00 Uhr | 16/09–30/09 Sa–So 10:00–17:00 Uhr
EintrittTicketverkauf erfolgt über das Zeitgeschichte Museum Ebensee. (Eintrittspreis zuzüglich € 2,-)

Die Werke von Chiharu Shiota sind oft von persönlichen Erfahrungen oder Gefühlen inspiriert, werden aber zu universellen menschlichen Fragestellungen zu Leben und Tod oder Beziehungen erweitert. Konzepte wie Erinnerung und Existenz versucht sie zu begreifen, indem sie gewöhnliche Gegenstände wie Schuhe, Schlüssel, Betten, Stühle und Kleider sammelt und sie in Fadenstrukturen verknüpft. Mit ihren Installationen erschafft Chiharu Shiota ein Gefühl von „Anwesenheit in Abwesenheit”, während in ihren Skulpturen, Zeichnungen, Performance-Videos, Fotografien und Leinwänden unausgesprochene Gemütszustände dargestellt sind.
 
„In meiner Kunst befasse ich mich mit der menschlichen Existenz. Ich verwende Alltagsgegenstände wie Schlüssel, Koffer und Kleidungsstücke, die von Menschen benutzt wurden und möchte die Erinnerung der Existenz ihrer Besitzer*innen zum Ausdruck bringen. Für die Installation bilden die Kleider die Form eines Körpers ab und füllen den Raum mit einer nicht greifbaren Anwesenheit. Ich arbeite schon lange mit dem Konzept der „Anwesenheit in Abwesenheit” und finde es interessant, welche Assoziation die Leere bei den Besucher*innen hervorruft. Für mich ist unsere Kleidung wie eine zweite Haut. Unsere dritte Haut ist das Gebäude, das uns vor der Welt abschirmt. Unsere Kleidung hat mit Schutz, aber auch Normen zu tun. Unser Inneres beinhaltet auch Eigenschaften, die wir uns nicht ausgesucht haben. Familie, Religion, Kultur, all das sind die Grenzen, innerhalb derer wir uns bewegen oder entscheiden sie zu durchbrechen. In der Installation sind die Kleider zwischen roten Seilen gefangen, die wie ein Nebel die Figuren verschleiern.
Je länger ich im ehemaligen Konzentrationslager Ebensee stehe und darüber erfahre, desto mehr drängt sich mir die Frage auf, worum es bei der menschlichen Existenz überhaupt geht. Was ist das für eine Welt, in der wir leben?” 
Chiharu Shiota, Künstlerin

„Chiharu Shiota, aus Japan stammend, deren Land historisch im zweiten Weltkrieg enger Verbündeter des nationalsozialistischen Regimes war, vernetzt Räume und Welten, schafft Bezüge zur Geschichte und zum Moment des heutigen Seins. Im Zentrum ihres Schaffens steht aber immer die menschliche Existenz. Wie kann man sich an sie erinnern? Das ist das große Thema von Chiharu Shiota, ‚Anwesenheit in Abwesenheit’ – eine Spurensuche nach dem, was vom Menschen übrigbleibt; wie ist die Leere zu verstehen, die sein Verschwinden erzeugt? Welche Bilder, welche Assoziationen sind notwendig, um dem Verblassen entgegenzutreten?
Schwebende Kleider, die an die Existenz von Körpern und Menschen erinnern, füllen den Raum mit einer nicht greifbaren Anwesenheit, sie schimmern durch ein Netzwerk an Seilen, die wie ein Sinnbild für Verstrickung und unabdingbares Miteinander stehen – ein Hauch, ein Atem, nicht greifbar und doch da, vermitteln eine Ahnung um die Zerbrechlichkeit menschlichen Seins und der Fragilität seiner Würde, die es gilt zu wahren.
Shiotas Arbeit legt ein beeindruckendes Zeugnis ab, was Kunst vermag, um der Selbsterkenntnis einen poetischen Raum zu geben.” Elisabeth Schweeger, Künstlerische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Europas Bad Ischl Salzkammergut 2024
 
Chiharu Shiota * 1972 in Osaka. 2008 wurde Chiharu Shiota vom japanischen Ministerium für Bildung, Kultur, Sport, Wissenschaft und Technologie mit dem „Art Encouragement Prize” ausgezeichnet. Ihre Arbeiten werden in internationalen Kunstinstitutionen weltweit präsentiert, darunter u.a. die Queensland Art Gallery of Modern Art (QAGoMA), Brisbane (2022), das ZKM | Zentrum für Kunst und Medien, Karlsruhe (2021), das Museum of New Zealand Te Papa Tongarewa, Wellington (2020), das Mori Art Museum, Tokio (2019), der Gropius Bau, Berlin (2019), die Art Gallery of South Australia (2018), der Yorkshire Sculpture Park, Großbritannien (2018), die Power Station of Art, Shanghai (2017), das K21 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf (2015); Smithsonian Institution Arthur M. Sackler Galerie, Washington DC (2014); The Museum of Art, Kochi (2013) und das National Museum of Art, Osaka (2008). Seit 2001 nimmt sie auch an zahlreichen internationalen Ausstellungen teil, wie u.a. am Oku-Noto International Art Festival (2017), der Sydney Biennale (2016), der Echigo-Tsumari Art Triennale (2009) und an der Yokohama Triennale (2001). 2015 wurde Chiharu Shiota eingeladen, Japan bei der internationalen Kunstausstellung 56. Biennale von Venedig zu vertreten. Lebt und arbeitet Berlin.
 
Mitwirkende
Künstlerin Chiharu Shiota
Atelier Chiharu Shiota
Programmleitung Bildende Kunst Simone Barlian 
Assistenz Bildende Kunst Teresa Kranawetter
Technische Leitung Roman Widmann
Produktion Marian Holzmüller
Kooperationspartner Zeitgeschichte Museum & KZ-Gedenkstätte Ebensee
Künstlerische Geschäftsführung Elisabeth Schweeger
Kaufmännische Geschäftsführung Manuela Reichert

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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