Experten beobachten Salzburgs Berge mit Argusaugen und High-Tech

Schutz für Menschen und Infrastruktur / Reportage vom Ingelsberg in Bad Hofgastein

Die Bilder vom Felssturz am Fluchthorn in Tirol rufen in Erinnerung, dass auch viele Salzburgerinnen und Salzburger mit der Gefahr von Felsstürzen, Hangrutschungen und Steinschlag leben müssen. Damit das Risiko kalkulierbar wird, beobachten, messen und analysieren die Experten des Landes die Situation auf Salzburgs Bergen tagtäglich. Bei besonders neuralgischen Stellen – wie am Ingelsberg über Bad Hofgastein – sogar in jeder Sekunde.

Es ist ein strahlend sonniger Vormittag im Juni. Landesgeologe Gerald Valentin trifft sich mit Hubert Zeindl von der Wildbach- und Lawinenverbauung in Bad Hofgastein. Sie wollen sich persönlich einen Eindruck von der aktuellen Situation des seit Generationen instabilen Hanges hoch über der Pongauer Gemeinde machen. Der Zustieg zum Problembereich am Ingelsberg ist nicht einfach. Es geht zwar anfangs zügig mit dem Auto über eine Forststraße nach oben, der Rest muss aber zu Fuß über steiles Gelände bestritten werden.

Landesgeologe Gerald Valentin und Hubert Zeindl (Wildbach- und Lawinenverbauung) am Ingelsberg bei der Analyse von Messdaten am Mobiltelefon
(C) Land Salzburg/ Bernhard Kern

Tiefe Furchen und Spalten

Je näher die beiden an ihr Ziel kommen, desto eindrucksvoller kündigt sich die Gefahrenzone an. Am Wegesrand gibt es immer wieder tiefe Furchen und sogar metertiefe Spalten. Deutliche Anzeichen dafür, dass der Berg in Bewegung ist. Oben angekommen, springt einem dann die imposante und zerklüftete Abrisskante sofort ins Auge. Direkt darunter am Ende des Kegels, der sich durch frühere Felsstürze gebildet hat, befinden sich Häuser, Supermärkte und die Gasteiner Straße.

100.000 Kubikmeter „lauern“

„Geologisch gesehen ist das einer der gefährlichsten Hänge im Bundesland Salzburg“, erzählt Landesgeologe Gerald Valentin. Hier sind rund 100.000 Kubikmeter Felsmaterial – das wäre das Gewicht von über 150.000 Mittelklasseautos und in etwa die Masse, die vom Galtürer Fluchthorn gedonnert ist – mit einer Geschwindigkeit von mehreren Zentimetern im Jahr in Bewegung. „Dadurch sind spontane Felsabbrüche möglich und davor müssen wir den Siedlungsbereich darunter schützen“, so Valentin.

Der Berg ist „verkabelt“

Wer beim Schutz an Auffangnetze und Erddämme denkt, liegt schon ganz richtig. Es braucht laut dem Experten aber bei solch einem Hang mehr. „Wir haben zusätzlich zu diesem System aus hintereinander geschaltete Schutzbauwerken auch jede Menge Technik am Berg“, so Valentin und fügt hinzu: „In aktuell fünf Felsspalten sind Messstangen installiert, die auf ein zehntel Millimeter genau Bewegungen messen können.“

Der Fels schickt SMS

Kommt es bei der Messung dieser sogenannten Fissurometern zu erhöhten Geschwindigkeiten, also wird die Verbindung zwischen zwei Felsen schnell auseinandergezogen, schlagen die Systeme Alarm. „Man kann sagen, der Berg schickt mir eine SMS. Ich muss dann beurteilen, ob weitere Maßnahmen, wie zum Beispiel eine Evakuierung, notwendig sind“, erklärt der Landesgeologe während er vor Ort die Konstruktion kontrolliert. Das muss regelmäßig sein, zum Beispiel auch bei der Bischofsmütze, einer der berühmtesten „Wackelkandidaten“ in den Alpen.

Kameras und Scheinwerfer

Auf die Daten in der Alarmierungs-SMS alleine braucht er sich in so einer Situation aber nicht verlassen, denn im Hang sind Kameras verbaut. Die dort ebenfalls installierten Scheinwerfer erlauben eine Beobachtung rund um die Uhr. Die Messdaten sind zudem anhand einer App jederzeit abrufbar und gespeichert. „Unabhängig dieser Alarme sprengen wir auch vorsorglich Felsen, wenn wir zur Einschätzung kommen, dass sie bald hinunterstürzen könnten“, so Valentin.

Vermessungen vom Tal aus

Nicht nur direkt am Berg werden Daten zur Bewegung des Ingelsberg gesammelt, sondern auch von unten. Thomas Leikauf ist Vermesser beim Land Salzburg. Seine Expertise kommt in regelmäßigen Abständen von einem immer gleichen Punkt im Tal am Ufer der Gasteiner Ache zum Einsatz. „Wir messen hier bereits seit zehn Jahren. Die anfangs starke Bewegung hat sich deutlich reduziert und somit auch das notwendige Kontrollintervall. Derzeit liegt das bei alle zwei bis drei Monate“, so Leikauf. 

Keine unmittelbare Gefahr

Mittlerweile sind der Landesgeologe und seine Begleitung vom Ingelsberg wieder abgestiegen und konnten sich mit dem Vermesser austauschen. Aufgrund der vielen Schutzbauten und der Daten der technischen Instrumente kommt er zu dem Schluss, dass es derzeit keine unmittelbare Gefahr gibt. „Man kann in Bad Hofgastein beziehungsweise unterhalb des Hanges beruhigt wohnen, schlafen oder auch einkaufen gehen. Ein naturgemäßes Restrisiko bleibt aber, damit müssen wir, vor allem in den Bergwelten, einfach leben“, so Valentin.

Sonnblick und Sattelkar

Wie der Ingelsberg in Bad Hofgastein werden im Bundesland Salzburg rund ein Dutzend Hänge, Berge oder Gipfel elektronisch überwacht. Dazu zählen zum Beispiel der Rauriser Sonnblick oder auch das Sattelkar im Obersulzbachtal. „Wir können nicht jeden Hang überwachen. Dort wo es aber wirklich ein Risiko für Anwohner, Besucher, Bauwerke oder Straßen gibt, sind wir verpflichtet dazu. Wir geben unser Bestes und halten unsere Berge mit Argusaugen unter Beobachtung“, erklärt Landesgeologe Gerald Valentin.

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Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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