Kein Privatvergnügen: AK Oberösterreich fordert Land und Unternehmen auf, berufliche Weiterbildung attraktiver zu machen

Weiterbildung ist neben einer soliden Grundausbildung die wichtigste Voraussetzung, um im Berufsleben langfristig bestehen zu können. Um ihren Bedarf an Fachkräften nachhaltig decken zu können, müssen Unternehmen kräftig in die Aus- und Weiterbildung investieren. Wie eine aktuelle Studie zeigt, tun das aber immer weniger Firmen. Zudem erklären viele Arbeitgeber die Weiterbildung zum Privatvergnügen ihrer Mitarbeiter:innen. „Die Beschäftigten sind durchaus bereit, sich weiterzubilden und so weiterzuentwickeln. Dafür brauchen sie aber viel mehr Unterstützung und Sicherheiten“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl.

Die europaweite Erhebung zur betrieblichen Bildung (Continuing Vocational Training Survey; CVTS), die alle fünf Jahre bei Unternehmen mit mindestens zehn Beschäftigten durchgeführt wird, bringt bedenkliche Ergebnisse zutage. In Österreich wurden etwas mehr als 5.000 Unternehmen zu ihren Bildungsaktivitäten im Jahr 2020 befragt. Zwar gab es in fast 80 Prozent dieser Unternehmen Weiterbildungsmaßnahmen. Fünf Jahre zuvor waren es aber noch fast 90 Prozent.

Noch eklatanter fällt der Rückgang bei den Teilnahmequoten aus: Nahmen im Jahr 2015 noch fast 46 Prozent der Beschäftigten an betrieblichen Weiterbildungskursen teil, so waren es fünf Jahre später nur noch knapp 35 Prozent. Besonders stark fiel der Rückgang in Großunternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten aus. Dennoch kommen Mitarbeiter:innen in Großbetrieben häufiger (41 Prozent) in den Genuss einer beruflichen Weiterbildung als Beschäftigte in Klein- und Mittelbetrieben (28 bzw. 36 Prozent).

Kaum Weiterbildung für Menschen mit maximal Pflichtschulabschluss

Großen Einfluss auf die Teilnahme an Aus- und Weiterbildung hat das bereits erreichte Bildungsniveau. Im Jahresdurchschnitt 2020 besuchten Personen mit Hochschul- oder Akademieabschluss dreieinhalb Mal häufiger Weiterbildungen als Menschen mit maximal Pflichtschulabschluss. Dem könnte und sollte entgegengewirkt werden, zum Beispiel durch gezieltere Information. Denn viele Firmen wissen zu wenig über bestehende Förderfördermöglichkeiten Bescheid, etwa über das Modell „Qualifizierungsförderung für Beschäftigte“ des AMS. Damit werden 50 Prozent der Weiterbildungskosten für ausgewählte Weiterbildungen und bestimmte Zielgruppen gefördert, z.B. beim Nachholen eines Lehrabschlusses.

In der Praxis schaut die Welt von bildungswilligen Beschäftigten oft ganz anders aus: Rund 28 Prozent aller Beschäftigten, die Weiterbildungen besuchen, tun das zur Gänze in ihrer Freizeit und vielfach auf eigene Kosten. „Dadurch wird angesichts der aktuellen Teuerungen Weiterbildung für viele unleistbar“, sagt AK-Präsident Andreas Stangl. Er kritisiert, dass das Land Oberösterreich ebenfalls dazu beigetragen hat, Weiterbildung zur Privatsache zu erklären, indem die Bildungsförderungen im Rahmen des oö. Bildungskontos in den letzten Jahren sukzessive gekürzt wurden. Die AK Oberösterreich hat hingegen ihren Bildungsbonus um 15 Prozent auf 150 Euro erhöht.

Um Weiterbildung wieder attraktiver und leichter zugänglich zu machen, fordert die AK Oberösterreich:

  • kostenlose Angebote für das Nachholen aller Bildungsabschlüsse im zweiten Bildungsweg, insbesondere der Lehrabschlussprüfung, der Berufsreife- und Studienberechtigungsprüfung;
  • einen Rechtsanspruch gegenüber Arbeitgebern auf adäquate Zeitressourcen für die Inanspruchnahme von Bildungsmaßnahmen. Dazu zählen z.B. Bildungskarenz und Bildungsteilzeit sowie eine Woche Bildungsfreistellung pro Jahr;
  • einen Rechtsanspruch auf Anerkennung bereits erworbener Kompetenzen;
  • einen Rechtsanspruch auf ein Qualifizierungsgeld bzw. den Ausbau und die Absicherung des Fachkräftestipendiums zur Existenzsicherung bei längerfristigen Ausbildungen, um Menschen auch in späteren Lebensphasen einen beruflichen Umstieg oder Wiedereinstieg zu ermöglichen bzw. um Ausbildungen nachholen zu können;
  • die Rücknahme der Kürzungen beim oö. Bildungskonto und einen kräftigen Ausbau der Förderungen.

Über den Autor

Dr. Rainer Hilbrand
Medieninhaber u. Geschäftsführer

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